Report
Mainz am 3. September 2001 im Ersten Bericht
von Sebastian Bösel
Ritalin
- das umstrittene Psychopharmakon für Kinder
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/kinder.html Auf dieser Seite gibt es auch einen "Knopf"
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Die Report-Sendung
vom obrigen Datum stellte drei Kinder einander gegenüber. Eines
nimmt immer schön artig sein Ritalin und fühlt sich danach
etwas schüchtern, das zweite geht zu einem Therapeuten, der
gegen Psychopillen ist und das Kind erfolgreich therapiert, das
dritte Kind bekam fälschlich Ritalin, weil es sich im Unterricht
langweilte. Es wurde eine Schulklasse höher versetzt, und das
Problem wargelöst.
Als Konsequenz
daraus zog Report den Schluss, die Psychopille würde viel zu
oft auf reinen Verdacht hin verschrieben, eine Pille, deren Nebenwirkungen
mit Depressionen, Ess- und Schlafstörungen angegeben werden
und deren Langzeitfolgen weitgehend unerforscht sind.
Die Reporter
fragten auch eine vielverschreibende Kinderärztin, wie lange
sie brauche, um die ADS - Diagnose zu stellen. Die Antwortlautete
drei Minuten, was den Reporter zu dem etwas sarkastischen
Statement verleitete: "Schnelldiagnose ADS".
Danach wurde
darüber berichtet, dass die Verschreibungszahlen von Psychopharmaka
in den vergangen Jahren explodiert sind, und dass es ganz danach
aussähe, als ob die Psychopille auch zum Ruhigstellen gesunder,
unbequemer Kinder missbraucht würde.
Auch
die Gesundheitsministerin Ulla Schmitt hat nun die Länder aufgefordert.
die Verschreibungen von Betäubungsmitteln an Kinder zu untersuchen.
Report berichtet von einem internen Papier, das der Redaktion vorliegt,
wonach dies dringend nötig sei. Besonders in den Stadtstaaten
Berlin, Hamburg und Bremen würde unverhältnismäßig
viel verschrieben.
Ein
Dr. H. aus dem Zentrum für Klinische Psychologie an der Universität
Bremen äußerte sich dann wie folgt: "Wir erleben
es ja in der Ambulanz auch immer wieder, dass uns Kinder vorgestellt
werden, mit dieser mutmaßlichen Vordiagnose, und sehr häufig
stellen sich dann bei genauer Betrachtung, gründlicher Diagnose,
ganz andere Grunderkrankungen und wirkliche Diagnosen heraus. Das
ist sehr häufig der Fall". - "Wie ist da das Verhältnis?"
- "Ich würde mal sagen, dass von 10 vorgestellten Kindern
mit der Vordiagnose ADS unserer Erfahrung nach 8 Kinder kein wirkliches
ADS haben."
Den Abschluss bildete der Bericht einer Mutter der hier auszugsweise
wiedergegeben sei:
"Die Lehrerin macht uns darauf aufmerksam, dass P. nur rumzappelt.
Wir sollten zum Arzt und klären lassen, ob er ADS hat."
- "Wie lang dauerte die Diagnose?" - "Ca. eine Dreiviertelstunde."
"Wie hat P. auf die Tablette reagiert?" - "Er war
ruhig, aber zu ruhig, stellenweise gar nicht anwesend, sehr lustlos."
P war nicht krank, sondern schlicht unterfordert. Er wurde ein Klasse
höhergestuft, und schon waren die angeblichen ADS-Symptome
weg. "Hätte von Anfang an sich der Arzt Zeit genommen
für ihn und festgestellt, dass es bloß die Langeweile
ist, hätte man ihn gleich hoch stufen können und hätte
die Medikamente nicht gebraucht." "Und das ärgert
Sie im nachhinein?." - "Klar, weil ich denke, dass es
nicht nur unser Kind ist, sondern dass da viele falsch behandelt
werden. In einer Dreiviertelstunde kann ich keine Diagnose stellen
- das geht nicht."
Alles in allem ein guter Beitrag, der ein Lob verdient hat. Der
vollständige Text ist unter der o.g. Internetadresse abrufbar.
Autor
Sebastian
Bösel,
Abdruck
(auch auszugsweise), Vervielfältigungen und Zitate unter Angabe
der Quelle unbedingt erwünscht.
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