Der
gesunde Zuckerzyklus (Schaubild A)
Was
also geschieht, wenn Zucker im Körper auftaucht?? Erscheint
ein natürlicher Zucker in einem gesunden Körper, beispielsweise
in Form einer Handvoll Kirschen, die Sie eben in nüchternem
Zustand von Nachbars Baum geklaut und verzehrt haben, dann passiert
folgendes: Die Kirschen werden nach ihrer kurzen Reise durch den
Magen im Dünndarm landen. Hier kümmert man sich erst einmal
um die Resorption (*1) der Zuckermoleküle - auf
Latein auch Glucose (*2) genannt - was bedeutet, dass sie die Darmwand
passieren und mit dem Blut zur Leber transportiert werden. Ihr Blutzuckerspiegel
befand sich vor den Kirschen auf seinem Grundwert xron etwa 80 bis
100 mg pro 100 ml Blut. Langsam (innerhalb von 1 bis 2 Stunden)
steigt er auf etwa 120 bis 150 mg an. Gleichzeitig erhält
die Bauchspeicheldrüse den Befehl, das Hormon Insulin zu produzieren.
Das Insulin soll den Blutzuckerspiegel wieder dahingehend senken,
dass er sich - wiederum langsam und innerhalb von etwa 2 Stunden
- auf seinem ursprünglichen Grundwert von 80 bis 100 mg einpendelt.
Insulin ist in etwa mit einem Spediteur für Brennholz zu vergleichen.
Das Brennholz sind die Zuckermoleküle. Spediteur Insulin transportiert
das Holz zu den verschiedensten Organ-, Muskel- und Nervenzellen,
die daraus Energie gewinnen, das Holz also verbrennen, um ihre täglichen
Aufgaben optimal erfüllen zu können.
Diese Art von Glucose, die aus Früchten gewonnen wird, trifft
nie pur im Körper ein, stets ist sie in Begleitung
von Vitaminen, Ballaststoffen und lebens- wichtigen Mineralien.
Diese Begleitstoffe wirken wie Bremsklötze an den Glucosefüßen,
sie sorgen dafür, dass die Zuckerrnoleküle nicht drängeln
und schön langsam der Reihe nach ins Blut übergehen. Natürliche
Glucose kann man sich in etwa wie massives, prima abgelagertes Buchenholz
in handlichen Scheiten vorstellen. Ein gleichmäßig und
lang brennendes Feuer entsteht. Sind alle Organfeuer" knisternd
im Gange und im Blut sind dann immer noch Holz-, pardon Glucoseteilchen
übrig, so werden diese vorerst überflüssigen Zuckerteile
(Holzscheite) vom Spediteur Insulin zur Leber gebracht. Hier werden
die Holzteile dann zu Press-Span-Platten umfunktioniert, weil das
Brennmaterial in dieser Form platzsparender aufzubewahren ist als
die losen Holzprügel.
Die Press-Span-Platten im menschlichen Körper nennt man Glykogen
(*3). Das ist eine Speicherform der Stärke,
die als Vorrat für magere Zeiten dient. Kommen die einkalkulierten
Hungersnöte nicht, sind die Lagerkapazitätemm in der Leber
bald erschöpft.
Schaubild
A:
Schaubild
B:
Problemzonen
Doch das ist nicht schlimm, denn dann werden einfach an anderen
Stellen im Körper neue Lagerhallen gebaut. Diese anderen Stellen"
nennt man auch Problemzonen"! Nur kann dort keine Stärke
gelagert werden. Diese wird deshalb in Fett umgewandelt und trägt
nun dazu bei, dass das Bäuchlein ein wenig runder, die Oberschenkel
noch etwas behäbiger und insgesamt die Klamotten immer enger
werden.
Erscheint jetzt aber nach den Kirschen längere Zeit nichts
mehr im Magen (siehe Schaubild B oben), beginnt der Blutzuckerspiegel
langsam aber sicher zu sinken, denn Organe wie beispielsweise Herz,
Lunge, Leber und Gehirn rufen ja unentwegt Glucose (Brennholz) aus
dem Blut ab. Ein stetig sinkender Blutzuckerspiegel ist für
die Bauchspeicheldrüse das Signal, jetzt eine Arbeitstruppe
ins Blut zu schicken. Sie heißt Glucagon (*4). Das ist im
Gegensatz zu unserem Spediteur Insulin ein Team, welches mit Axten,
Beilen und Sägen ausgerüstet" in der Leber nun beginnt,
die Press-Spanplatten wieder auseinander zu nehmen, um sie in einfaches
Brennholz für die Organe zurückzuverwandeln.
Glucagon
ist also ebenfalls ein blutzuckerregulierendes Hormon, nur wirkt
es eben gerade anders herum als Insulin. Auf diese Weise wird der
Blutzuckerspiegel stets relativ konstant auf seinen Grundwert gehalten,
denn die Organfeuer sollen ja nie ganz zum Erliegen kommen.
Dieser Mechanismus sorgt selbst während längerer Fastenzeiten
für einen zuverlässigen Nachschub an Brennmaterial.
In Zeiten höchster Aufregung, wenn also z. B. der Nachbar mit
schwingender Heugabel auftaucht, um Sie zu befragen, wohin wohl
all seine Kirschen gekommen sein könnten, dann benötigen
Sie bzw. Ihre Organe mehr Energie als in kirschen- pflückendem
Zustand oder am Schreibtisch sitzend. Für solche Sonderfälle
ist Glucagon (*4) einfach zu langsam und so springt die
Nebennierenrinde (*5) ein. Hier wird das Hormon Adrenalin produziert,
welches dafür bekannt ist, den Körper zu unglaublichen
Leistungen anzuspornen. In Höchstgeschwindigkeit wird unter
seinem Einfluss Glucose (Zucker) frei gesetzt - und wenn es sein
muss, wird Adrenalin aus der Leber noch den allerletzten Rest an
Glucose quetschen. Jetzt hat das Gehirn genügend Power, um
sich (wegen der Kirschen) günstige Ausreden einfallen zu lassen
(die Vögel waren s natürlich) oder im ungünstigeren
Fall - eine Heugabel kann unter Umständen unangenehm werden
- mögliche Fluchtwege auszutüfteln. Auch die Muskeln sind
jetzt für eine etwaige Verfolgungsjagd oder - vorausgesetzt
Sie haben Ihren Sauzahn (*6) parat - für einen Nahkampf gerüstet,
genauso wie Herz, Lunge und all die anderen beteiligten Organe.
Irgendwann wird wieder Ruhe einkehren, Sie essen eine Kleinigkeit
(diesmal aus dem eigenen Garten, um die Nerven zu schonen), der
Blutzuckerspiegel steigt, die Leber kann wieder neue Vorräte
in Form von Glykogen einlagern,... und der Kreislauf beginnt aufs
Neue.
Nun haben wir den natürlichen Zuckerzyklus im Körper kennen
und verstehen gelernt. Was aber passiert, wenn jemand jener Spezies
von Menschen angehört, die nicht so sehr auf Kirschen stehen,
sondern den Tag lieber mit einigen Scheiben wabbeligen Weißbrotes
aus vitalstoffreiem Auszugsmehl beginnen - worauf sie dann noch
dick und üppig Marmelade streichen, die ordnungsgemäß
zu 50 % aus raffiniertem Fabrikzucker besteht - was passiert dann?
Wie verläuft der künstliche Zucker- zyklus - und
was sind seine verheerenden Auswirkungen auf den Organismus? Dies
- und mehr - ei-fahren Sie in der Fortsetzung dieses
Artikels.
Noch
ein guter Rat zum Abschluss:
WENN
SIE SORGSAM MIT IHRER LEBER UMGEHEN, MÜSSEN
SIE SICH KEINE SORGEN MEHR MACHEN, DENN SIE WIRD SICH
VORBILDLICH UM IHRE GESUNDHEIT KÜMMERN.
DR. NORMAN W. WALKER
(*1)
Resorption: Die Aufnahme von Nährstoffen durch - u.a. - den
Darm, von lat. sorbeme: schlürfen. schlucken; Sorption: Aufnahme
eines gelösten Stoffes oder eines Gases; resorbieren: aufsaugen,
aufzehren.
(*2)
Glucose (gr. glykys): Traubenzucker, ein so genannter Einfachzucker.
der gemeinsam mit Fmuctose (Fruchtzucker ebenfalls ein Eirtfachzucker)
den bekannten Fabrik- oder Haushaltszucker bildet.
Einfachzucker:
aus 1 Zuckermolekül bestehender Zucker.
(*3)
Glykogen: Speichemform des Zuckers im Körper (griech. glykys
Traubenzucker und Nachsilbe gen": hervorgegangen aus",
also: aus Zucker hervorgegangen).
(*4)
Glucagon: Stoff, der aus der Speicherstärke Glykogen
wieder einfachen Traubenzucker macht (griech glykys: Trauben- zucker,
Nachsilbe -gon": Bildung von...").
(*5) Nebennierenrinde: Die beiden ca. 5g schweren Nebennieren sitzen
den beiden Nieren kappenartig auf. In ihrer Rinde werden verschiedene
Hormone gebildet, u.a. cortison.
(*6)
Sauzahn: Gartengerätschaft mit nur einem gebogenen Zinken am
langen Stiel zum Lockern der Erde.
Autorin
Kristina Peter, Abdruck
(auch auszugsweise), Vervielfältigungen und Zitate sind unter
Angabe der Quelle unbedingt erwünscht.
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