Bei
einer Pflanzenkläranlage (auch Wurzelraumkläranlage) erfolgt die
Abwasserreinigung innerhalb eines bepflanzten Bodenkörpers (Wurzelraum)
der - zweckgebunden (Ziel: möglichst hohe Reinigungsleistung des
eingeleiteten Abwassers) - überwiegend mit Schilfrohr (Phragmites
australis), unterstützt durch Sumpf- bzw. Repositionspflanzen wie
Rohrkolben, Wasserlinsen, Binsen oder Seggen, bepflanzt ist.
Repositionspflanzen
dienen als Lebensraum für Mikroorganismen, die zum Abbau der Abwasserinhaltsstoffe
beitragen sowie weiterhin zum Eintrag von Luftsauerstoff, welcher
ebenfalls die Reinigungsleistung der Pflanzenkläranlage unterstützt.
Pflanzenkläranlagen sind wissenschaftlich anerkannt, solange sie
die Grenzparameter einhalten können, da sie den anerkannten Regeln
der Technik entsprechen.
Eine
Pflanzenkläranlage kann die meisten Wasserinhaltsstoffe auf natürliche
Weise abbauen. Dies geschieht im Wesentlichen durch ein Zusammenwirken
von Filtermaterial (mechanisch), durch das Aufnehmen oder Abbauen
der Wasserinhaltsstoffe durch Bakterien und organische Prozesse
(biologisch), der Adsorption an Bodenteilchen (physikalisch) sowie
durch Fällungsreaktionen zwischen den Wurzeln (chemisch). Das Abwasser
durchströmt die Pflanzenkläranlage entweder vertikal von oben nach
unten oder horizontal vom Einlauf- zum Ablaufschacht. Im Bodenkörper
verlegte Drainagerohre fangen das gereinigte Abwasser auf und leiten
es in einen End- und Kontrollschacht. Von diesem End- und Kontrollschacht
wird das gereinigte Wasser in Gewässer oder anderes eingeleitet.
Der
Bodenkörper kann horizontal oder vertikal durchströmt werden. Bei
vertikaler, intermittierender Betriebsweise können die für dieses
Verfahren besten Reinigungsleistungen (Kohlenstoffabbau und Nitrifikation)
erzielt werden.
Pflanzenkläranlagen bestehen aus:
Einer
mechanischen Vorreinigung (einem Absetzbecken und Sammelschacht).
In diesem setzten sich die nicht im Wasser gelösten Abwasserinhaltsstoffe
(der Fäkalschlamm) ab. Zudem schwimmen auf der Oberfläche jene Abwasserinhaltsstoffe
auf, die leichter als Wasser sind. Dieser gesammelte Schlamm ist
entsorgungspflichtig. Die Entsorgung ist je nach Größe und Belastung
der Absetzanlage sowie der Abwassereigenschaften erforderlich (z.B.
einmal im Jahr). Es gab bzw. gibt auch Fälle, wo sich der Schlamm
zum Teil durch biologischen Abbau im Absetzbecken selbst auflöste
oder das zu reinigende Abwasser kaum absetzbare Stoffe enthielt
und damit kaum „Abfall“ produziert wurde.
Dem
Pflanzenbecken, meistens ein mit Schilf bewachsenes mit Kies oder
Sand gefülltes Becken (Bodenkörper). Das Abwasser wird entweder
über ein Gefälle oder über eine Pumpe (zumeist intervallartig) aus
dem Sammelschacht in die Pflanzenkläranlage eingeleitet. Bei von
oben nach unten durchströmten Anlagen verlaufen an dessen Oberseite
Abwasserverteileinrichtungen und an dessen Unterseite Drainagerohre
(wasserdurchlässige Rohre). Sie bringen „oben“ (ober- oder unterhalb
der Oberfläche) das zu reinigende Wasser auf den Bodenkörper auf
und ziehen es unten ab. Es sind auch längsdurchströmte Anlagen gebaut
worden, bei denen das Abwasser an einer Seite des Pflanzenbeckens
zugeführt und an der anderen Seite abgeführt wird. Eventuell können
mehrere Stufen (Pflanzenbecken) hintereinander geschaltet werden
(z.B. Prinzip „BÄTO“).
Bevor
das gereinigte Wasser die Pflanzenkläranlage verlässt, passiert
es eine Kontrollstelle. Dabei kann die erforderliche Wasserqualität
(BSB5, CSB, Stickstoff, Phosphor) gemessen werden kann. Der End-
und Kontrollschacht ist die letzte Station, bevor das Wasser die
Pflanzenkläranlage gereinigt verlässt. Dabei muss die Wasserqualität
anhand von Abwasserparametern analysiert werden (wichtig, der Untersuchungsumfang
wird zumeist bei der Bewilligung der Anlage von der Behörde vorgeschrieben
und kann aus der vom Betreiber selbst durchzuführenden Eigenüberwachung
und der von einer unabhängigen Untersuchungsanstalt vorzunehmenden
Fremdüberwachung bestehen). Der End- und Kontrollschacht hat außer
der direkten Kontrolle der Wasserqualität, auch noch die Funktion
den internen Wasserspiegel zu kontrollieren. Dazu wird das Ablaufrohr
nach oben angehoben, anstatt unten abzulaufen. Das Wasser erreicht
zusammen mit dem noch zu reinigen Wasser einen erhöhten Wasserstand,
da es durch die Aufhöhung angestaut wird. Somit ist ein größerer
Teil des Bodenkörpers dauernd eingestaut.
Ein Beispiel: Die Sommerferien beginnen. Die Abwassermenge nimmt
durch die Abwesenheit der Urlauber schnell ab. Die Schilfpflanze
trocknet ab und wird geschädigt. Bei Wiederinbetriebnahme würde
ihr Anteil an der Sauerstoffnachlieferung in den Boden ausfallen.
Um etwa der Pflanzenkläranlage nicht durch Trockenheit zu schaden,
wird das Wasser zum Beispiel in den Sommerferien teilweise angestaut.
Die
Reinigungsleistung einer Pflanzenkläranlage erfolgt durch das Zusammenwirken
verschiedener Prozesse. Jeder Prozess bewirkt mehrere Funktionen.
Dabei handelt es sich um ein äußerst komplexes und naturnahes Reinigungsverfahren.
Die Wasserinhaltsstoffe werden zum Einen von den Pflanzen aufgenommen,
um den Bedarf der Pflanzen im Wachstum zu decken. Außerdem erhalten
die Wurzeln des Schilfes die Durchlässigkeit des Bodens (Sauerstoffzufuhr),
der bei betreten oder durch Ablagerungen im Betrieb vermindert wird.
Zum anderen erfolgt der größten Teil der Reinigung durch Mikroorganismen
bzw. Bakterien, die im Bodenkörper leben. Beide Vorgänge reinige
das Wasser "biologisch", das heißt durch biochemische Reaktionen.
Die Mikroorganismen leben und reinigen entweder: im aeroben Milieu
(Sauerstoff in Form von O2 vorhanden, Kohlenstoffoxidation und Nitrifikation,
das ist der Prozess der Oxidation des im organischen Harnstoff befindlichen
anorganischen Ammoniums (bzw. Ammoniumionen) zu Nitrit) oder im
anoxischen Milieu (der Sauerstoff liegt nur chemisch gebunden vor,
zum Beispiel im Nitrat, dies wird bei der Denitrifikation zur Entfernung
des Nitrats aus dem Abwasser durch Reduzierung zu elementarem Stickstoff
benutzt, der anschließend an die Luft entweichen kann) oder im anaeroben
Milieu, unter Sauerstoffabschluss (ein zumeist aus Gründen der Geruchsbelästigung
unerwünschter Prozess, der aber in Sonderfällen in der anaeroben
Abwasserreinigung eingesetzt wird).
Die
Wasserqualität kann an Hand sogenannter Summenparameter oder Einzelparameter
wie Stickstoff- und Phosphorgehalt bestimmt werden. Die Kohlenstoffbelastung
des Abwassers wird beispielsweise durch die Summenparameter BSB5
(Biologischer Sauerstoffbedarf: innerhalb von 5 Tagen durch Mikrorganismen
verbrauchter Sauerstoff), CSB (Chemischer Sauerstoffbedarf: der
durch chemische Umwandlungen (Oxidation) verbrauchte Sauerstoff)
und TOC (gesamter organisch gebundener Kohlenstoff) bestimmt. In
der Pflanzenkläranlage wird außerdem durch die mechanische Funktion
des Bodenkörpers gereinigt. Dabei wirkt der Bodenkörper (auch Bodenfilter)
wie ein Sieb und filtert das Wasser. Die im Bodenkörper durch den
Kies, Sand oder auch im Ton zurückgehaltenen Inhaltsstoffe können
anschließend durch Bakterien aber auch über die Wurzeln der Pflanzen
aufgenommen und abgebaut werden.
Tonmineralien
besitzen zudem die Eigenschaft Ionen auszutauschen und können somit
in den Salzhaushalt des Wassers eingreifen (Prinzip des Ionenaustauschers,
diese werden auch in Trinkwasseraufbereitungsanlagen zur Entsalzung
eingesetzt). Die Austauschkapazität des Bodens ist jedoch beschränkt
und erschöpft sich nach einiger Zeit. Das Wasser kann auch durch
Fällungsreaktionen gereinigt werden (chemisch). Bestimmte Stoffe
verbinden sich mit zu einem bestimmten Stoff, und „fallen“ dann
aus.
Viele
Klärwerke verwenden gegebenenfalls Eisenchlorid, Eisensulfat oder
Aluminiumchlorid, um bei einem Überangebot von Phosphat, diesen
aus dem Wasser zu entfernen. Dies erfolgt, in dem das „Eisen“ oder
„Aluminium“ das Phosphat zu einer im Wasser nicht löslichen Verbindung
umwandelt, die dann im Nachklärbecken zu Boden „fällt“ (daher der
Fachbegriff Fällung). In einer Pflanzenkläranlage erfolgen diese
Fällungsreaktionen aufgrund des im Bodenkörper vorhandenen Eisensalzes
oder anderer Mineralien. Insgesamt könnte das gereinigte Wasser
aus dem End- und Kontrollschacht wieder zu höherwertigen Nutzungen
unter Beachtung der hygienischen und technischen Vorschriften verwendet
werden. Dies würde eine Kreislaufschließung und Wiedernutzung bedeuten
und ganz besonders für die Wasserwirtschaft in Ländern in denen
Wassermangel herrscht nützlich sein.
Weiterhin
gibt es eine Weiterentwicklung dahin gehend, dass auf den Bodenkörper
bewusst verzichtet wird. Die Pflanzen stehen auf ihren eigenen Wurzeln.
Die Reinigung erfolgt hierbei im Wesentlichen durch die Pflanzen
selbst und durch die Mikroorganismen in ihren Wurzeln. Vorteile
sind u. a. ein geringeres Gesamtgewicht und eine bessere Durchströmung,
dadurch eine Leistungssteigerung und eine Einsetzbarkeit auf Dächern.
In
den meisten Kommunen besteht ein Anschlusszwang an die öffentlichen
Abwasserentsorgung. Dieser wurde eingeführt, um die Kosten dieser
Anlagen solidarisch zu teilen. So ist man gezwungen an das kommunale
Abwassernetz anzuschließen, auch bei Bestehen einer eigenen Anlage.
In Mitteleuropa wird sich daher der Einsatz von Einzelhausentsorgungen
mit Pflanzenkläranlage auf die nicht erschlossenen Gebiete beschränken.
Pflanzenkläranlagen können jedoch auch zur Entsorgung kleiner Ortschaften
dienen und somit an Stelle anderer Klärverfahren eingesetzt werden.
Mögliche Einsatzhindernisse könnten jedoch der Platzbedarf (3,5
bis 5 m²/EW bei Vertikalanlagen) oder weitergehende Reinigungsanforderungen
(hohe, gesicherter Nährstoffentfernung) sein. Andere negative Eigenschaften
sind weiter nicht bekannt.
Dazu
kann festgehalten werden, dass die Reinigung geruchsneutral vorgeht
(da sich in der Regel keine stehenden Wasseroberflächen und anaerobe
Zonen bilden). Die mögliche technische Lebensdauer von Pflanzenkläranlagen
ist schwer zu bestimmen, da die meisten Anlagen noch betriebsfähig
sind (die ersten entstanden etwa 1980). Doch ist eine Neu- Bepflanzung,
evt. eine Erneuerung des Becken/Bodens, neues Filtermaterial, etwa
die Verwendung von Ionenaustauscher (z. B. Ton) und evt. eine Auflockerung
des Bodens nützlich, um die gewünschte Ablaufqualität zu erhalten.
Die
Pflanzenkläranlage ist eine Alternative zur Kleinkläranlage nach
dem Belebtschlammverfahren oder eines Tropfkörpers. Für den Ablauf
der Anlage ist ein Gewässer erforderlich, dass das gereinigte Abwasser
aufnehmen kann (Vorfluter). Zumeist wird dies ein Oberflächengewässer
sein, mitunter wird es dem Grundwasser zugeführt oder ggf. wiederverwendet.
Die Einleitung in das Grundwasser ist jedoch in vielen Fällen aus
Gründen der Sicherstellung der Reinhaltung des Grundwassers wasserwirtschaftlich
nicht erwünscht (Hygiene, Restbelastung mit nicht abbaubaren Stoffen).
Bemerkenswert
ist, dass Pflanzenkläranlagen aufgrund der laufenden Prozesse, bei
fachgerechter Ausführung, im Winter nicht einfrieren und wegen des
weitgehenden Fehlens von Aggregaten (bis auf eventuelle Pumpen zur
Abwasserhebung) mechanisch robust sind. Ebenso sind sie, da die
abbauenden Bakterien in der Bodenmatrix "verankert" sind, nicht
vom Absetzverhalten des Belebtschlammes abhängig (siehe Betriebsprobleme/Blähschlammbildung
beim Belebtschlammverfahren). Diese Robustheit des Prozesses ist
ein positiver Aspekt beim Einsatz in Verhältnissen, in denen einen
intensive, tägliche Wartung nicht zu gewährleisten ist.
Autorin
Tamara Kammerlander, © Rainforest Newsletter e.V. Abdruck
(auch auszugsweise), Vervielfältigung und Zitat nur in Absprache
mit dem Verein.
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