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Radioaktivität

Unter Radioaktivität (von lat. radius, Strahl) oder radioaktivem Zerfall oder Kernzerfall versteht man die Eigenschaft instabiler Atomkerne, welche sich spontan unter Energieabgabe umwandeln. Die freiwerdende Energie wird in Form ionisierender Strahlung, nämlich energiereicher Teilchen und/oder Gammastrahlung, abgegeben. Umgangssprachlich wird das Wort Radioaktivität auch für "radioaktive Substanz" gebraucht. Insbesondere in der öffentlichen Diskussion ist häufig die abgegebene Strahlung oder sogar Ionisierende Strahlung aus nicht radioaktiven Quellen gemeint, wenn von Radioaktivität die Rede ist.

Bei den meisten Zerfallsarten ändert sich die Kernladungszahl (Ordnungszahl) - es entsteht also ein anderes chemisches Element -, bei manchen nur die Massenzahl. Daneben gibt es Übergänge, bei denen sich nur der Anregungszustand des Kerns ändert (Übergang zwischen verschiedenen Energiezuständen des selben Nuklids). Die Stärke der Radioaktivität wird durch die physikalische Größe Aktivität beschrieben und in der Einheit Becquerel, abgekürzt Bq, angegeben. 1 Bq steht für durchschnittlich einen Zerfall pro Sekunde. Radioaktiver Zerfall ist kein deterministischer Prozess. Der Zerfallszeitpunkt ist absolut zufällig. Allerdings ist für jedes Nuklid die Zerfallswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit ein fester Wert, der auch durch die Halbwertszeit beschrieben werden kann. Die Halbwertszeit ist der Zeitraum, nach dem durchschnittlich die Hälfte der instabilen Atomkerne einer Menge zerfallen sind. Sie kann nur Sekundenbruchteile, aber auch einige Milliarden Jahre betragen. Solche langlebigen Nuklide sind beispielsweise Uran-238, Uran-235, Thorium-232 und Kalium-40. Je kürzer die Halbwertszeit, desto größer ist die Aktivität einer gegebenen Substanzmenge.

Mathematisch wird der Zerfall durch das Zerfallsgesetz beschrieben. Nicht nur der Zeitpunkt des Zerfalls ist zufällig, sondern unter Umständen auch die Art des Zerfalls. 212Bismut kann beispielsweise mit jeweils unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit auf drei verschiedene Arten zerfallen. Eine Nuklidkarte zeigt alle Nuklide mit Arten und Anteilen der möglichen Zerfälle und den Halbwertszeiten. Ein Atomkern ist dann stabil und kann nicht weiter von sich aus zerfallen, wenn es keinen radioaktiven Zerfall gibt, der zu einem energetisch niedrigeren Zustand führt. Beim Wasserstoff ist dieser Zustand das einzelne Proton als Atomkern, bzw. das Deuteron, das aus Proton und Neutron besteht. Beim Helium enthält das stabile Isotop Helium-3 zwei Protonen und ein Neutron, das stabile Helium-4 zwei Protonen und zwei Neutronen. Beim Lithium und allen schwereren Elementen müssen mindestens gleich viele Neutronen wie Protonen den Kern bilden, damit der Kern stabil ist, und bei schwereren Kernen überwiegen immer mehr die Neutronen. Ab einer gewissen Massenzahl werden alle Atomkerne instabil. Durch Einwirkung von Teilchenstrahlung (insbesondere Neutronenstrahlung oder Neutronenaktivierung) können in Kernreaktionen stabile Atomkerne in andere, instabile Atomkerne umgewandelt werden.

1896 entdeckte Antoine Henri Becquerel, dass Uran enthaltende Stoffe eine Strahlung aussenden. Diese vermag es, undurchsichtige Stoffe zu durchdringen. Er stellte das fest, als er in Papier gehüllte fotografische Platten geschwärzt vorfand. Er stellte zudem fest, dass diese Strahlung nicht einheitlich ist, sondern verschiedene Komponenten enthalten kann: eine Komponente mit hohem Durchdringungsvermögen, die im elektrischen Feld nicht abgelenkt wird (Gammastrahlung); eine Komponente, die im elektrischen Feld zum Pluspol abgelenkt wird und ein mittleres Durchdringungsvermögen hat (Betastrahlung); und eine Komponente, die im elektrischen Feld zum Minuspol abgelenkt wird und ein geringes Durchdringungsvermögen hat (Alphastrahlung). Die wesentlich beteiligten Personen, die auf dem Gebiet der weiteren Aufklärung der natürlichen Radioaktivität forschten, waren Marie Curie, Pierre Curie und Ernest Rutherford.

Technische Anwendung Eine andere technische Anwendung ist die Dickenmessung und Materialprüfung mittels Durchstrahlung. Hierbei wird ein Material (mit Gamma-Strahlen) bestrahlt und ein Zähler ermittelt aufgrund der durchdringenden Strahlen und des Absorptionsgesetzes die mittlere Dichte (bei bekannter Schichtdicke) oder die Schichtdicke bei bekannter Dichte. Die Strahlung kann auch auf einem Röntgenfilm hinter der Materialschicht ein Bild erzeugen. In dieser Form wird die Durchstrahlungsprüfung bei Werkstoffen angewandt. Es wurden auch Blitzableiter mit radioaktiven Material hergestellt, deren Wirksamkeit aber nie bewiesen werden konnte (Radioaktiver Blitzableiter).

In der Nuklearmedizin findet man die Szintigraphie. Dabei werden geringe Mengen eines radioaktiven Stoffes in den Körper injiziert. Dieser Stoff strahlt dann aus dem Körper heraus, dadurch wird eine Untersuchung möglich. Die Strahlen werden von einem Detektor aufgefangen und mittels einer Gammakamera oder eines Computertomographen bildlich dargestellt. Für jedes Organ gibt es spezielle radioaktive Verbindungen. So injiziert man zum Beispiel radioaktives Iod, das sich in der Schilddrüse anlagert, um sie untersuchen zu können. (Aufgrund der Strahlenbelastung wird diese Methode heute nur noch zur Tumorbekämpfung angewandt). Weitere bildgebende Verfahren, die Radioaktivität nutzen, sind die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und die Single Photon Emission Computed Tomography (SPECT). Ein weiteres Einsatzfeld ist die Radionuklidbehandlung zur Schmerzlinderung bei Knochenmetastasen. Hier wird in krankhaften Knochenbereichen der Metastase ein Radionuklid angereichert, was eine schmerzlindernde Wirkung hat. Diese Methoden haben auch ein gewisses Risiko, da auch gesundes Gewebe zerstört werden kann, was zu einer Immunschwächung oder Funktionsstörung des Knochenmarks führen kann.

Der Mensch kann ionisierende Strahlung, ob aus radioaktiven oder anderen Quellen, nicht direkt wahrnehmen. Für einen wirksamen Strahlenschutz beim Umgang mit radioaktiven Materialien ist daher besondere Sorgfalt und ggf. der Einsatz von Messeinrichtungen (Dosimetern) erforderlich. Hinsichtlich der Gefährlichkeit von Radioaktivität müssen zwei verschiedene Risiken unterschieden werden: 1. die Strahlenbelastung selbst, 2. die Kontamination (Verunreinigung) mit radioaktivem Material, die unter Umständen zu lange andauernder Bestrahlung führen kann, insbesondere z.B. bei Kontamination der Haut von Personen oder gar Aufnahme (Inkorporation) radioaktiver Substanz in den Körper durch Einatmen (Inhalation) oder Essen/Trinken (Ingestion). Diese beiden Begriffe werden in Berichterstattung und Öffentlichkeit oft verwechselt. Entsprechend wird beispielsweise der Begriff "verstrahlt" falsch anstatt kontaminiert benutzt; Verstrahlung bedeutet - analog der Verbrennung - eine durch Bestrahlung hervorgerufene erhebliche Schädigung oder Verletzung.

Die Strahlenbelastung für Lebewesen wird als effektive Dosis oder Äquivalentdosis in der Einheit Sievert gemessen. Darin wird die unterschiedliche Schädlichkeit von alpha-,beta- und gamma-Strahlen sowie die unterschiedliche Empfindlichkeit einzelner Gewebe berücksichtigt. Unmittelbar beobachtbare (akute) Strahlenwirkungen (Strahlenkrankheit) treten beim Menschen erst bei sehr hohen kurzfristigen Äquivalentdosen ab 0,5 Sv auf. Auch wesentlich geringere Strahlendosen führen jedoch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu Langzeitfolgen (Krebs oder Erbschäden). Anderseits ist es bemerkenswert, dass beispielsweise Bad Gastein ein seit dem Mittelalter berühmtes Heilbad ist, dessen Heilwasser sich lediglich durch hohe Temperatur und den Gehalt an Radon auszeichnet, siehe Radonbalneologie.

Jeder Mensch ist natürlicher Strahlenbelastung ausgesetzt. Ein kleiner Teil davon geht auf ständig vorhandene Radionuklide im eigenen Körper zurück (beim Erwachsenen rund 8000 Bq, hauptsächlich Kohlenstoff-14 und Kalium-40). Die übrige, äußere natürliche Strahlenbelastung stammt etwa zur Hälfte von aus dem Erdboden austretendem Radon und seinen Zerfallsprodukten, daneben auch von Kalium-40 (in Baustoffen) und einigen anderen Nukliden. Radon ist als die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs in Deutschland bezeichnet worden.

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Autorin Tamara Kammerlander, © Rainforest Newsletter e.V. Abdruck (auch auszugsweise), Vervielfältigung und Zitat erwünscht unter Angabe der Quelleangabe.

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